Michel-BMW R 100 S






Die Vollendung eines Jugendtraumes - Norbert und seine Michel R100S

 

„Back to the roots oder zurück zum Motorradfahren“

 

Für den Februar 2016 stand meine Pensionierung an und um nicht der Langeweile zum Opfer zu fallen, schaute ich mich seit Ende 2015 nach einer 2-Ventiler BMW um, die ich restaurieren wollte. Nach etlichen Angeboten unter ebay-Kleinanzeigen und Anfragen darauf erschien im November das „Hammerverkaufsangebot“ eine R100S, Baujahr 1978 als Original Michel-Umbau und das Angebot nur knappe 50 km von meinem Wohnort entfernt. Also griff ich sofort zu Telefon, um Näheres zu erfahren. Das geschah am Montagabend und die Frau des Verkäufers bat mich es am Freitagabend zu versuchen, dann wäre ihr Mann wieder daheim, es hätten sich aber schon mehrere Interessenten gemeldet. Dabei stellte sich heraus, dass die Dame am anderen Ende der Leitung den gleichen Geburtsnamen hatte wie ich und wir uns nett auf Platt unterhalten konnten.

 

Die nächsten Nächte schlief ich unruhig, schaute mir immer wieder die Bilder der verstaubten Michel-BMW an und wartete ungeduldig auf den Freitagabend. Dann war es endlich so weit, ich erreichte den Besitzer „Thomas“ und machte für den Samstagvormittag um 11.00 Uhr einen Termin mit ihm ab. Voller Ungeduld war ich schon gegen 10.30 Uhr vor Ort und traf auf sehr nette Leute. Nach einem Kaffee und ausgiebigem Gespräch über alte Zeiten, machten wir uns auf den Weg zum Schuppen. Da stand sie nun die Michel-BMW, eine dicke Staubschicht verdeckte die edlen Teile, aber es war alles dran. Der letzte TÜV-Stempel stammte aus dem  Jahr 92, d.h. sie stand unbewegt schon über 23 Jahre im Schuppen. Beruflich bedingt hatte sie Thomas nicht mehr gefahren. Nun begannen die Verhandlungen, denn das Motorrad war genau das, was ich suchte, genügend Arbeit aber eine gute Substanz und zudem etwas Besonderes. Wir wurden uns einig und Thomas suchte die Unterlagen zusammen und jede Menge Extrateile, dann ab in den Bulli und den Fang nach Hause gebracht, geschaftt!                                                                                                                                           Hier wurde das Prachtstück zuerst einmal vom Staub befreit und näher in Augenschein genommen. Obwohl ich meiner Frau versprochen hatte mit der Demontage bis zu meiner Pensionierung im Februar zu warten, konnte ich es nicht lassen schon mit der Arbeit zu beginnen. Die Garage wurde geheizt und das Licht brannte abends schon mal länger.

  

Bei der R100S aus dem Jahre 78 waren erstmals die Leichtmetallräder mit der hinteren Scheibenbremse verbaut worden. Speichen-Räder hielt ich aber für stilvoller und die Suche begann. Die Kleinanzeigen von ebay lieferten ein Eldorado an Teilen, nur Speichen-Räder waren sehr selten und zudem teuer. Dennoch fand ich wunderschöne Hochschulterfelgen allerdings ohne Hinterradnabe, diese wurde erst zwei Monate später angeboten. Das neue Jahr 2016 begann und mich beschäftigen u.a. Fragen, ob ich den Rahmen nun beschichten oder lackieren sollte. Nach und nach bekam ich alle notwendigen Ersatzteile zusammen, viele Teile auch über BMW-Classic. Leider hatte die Fa. Winkelbeiner, die in den 80.zigern die Michel-BMW`s in Ingolstadt umgebaut hatten, keine Unterlagen mehr über meine Maschine und speziell die Umbauten am Motor.

 

Was sollte ich jetzt aber mit dem Motor machen? Er hatte über 23 Jahre nicht gelaufen. Er drehte zwar durch, aber das Gehäuse war angegriffen und entsprach nicht meinen Vorstellungen. Meine technischen Möglichkeiten endeten bei der Instandsetzung der Vergaser und dem Einstellen der Ventile. Also musste ein Spezialist her!                                                                    

Ich erinnerte mich, dass ich ganz in der Nähe in Ostrhauderfehn einen Motorradladen gesehen hatte, der interessante BMW-Restaurationen im Schaufenster ausgestellt hatte. Bei nächster Gelegenheit fuhr ich vorbei und kaum ins Gespräch gekommen überzeugte mich die fachliche Kompetenz von Heinz H. Collmann, dem Chef der Fa. HC Motorradtechnik. Die Besichtigung seiner Werkstatt brachte mich nicht nur ins Staunen sondern erinnerte mich eher an eine Arztpraxis als an eine Motorradwerkstatt. Die speziellen Einrichtungen und Werkzeuge gerade für 2-Ventil-Boxer hatte ich so noch nicht gesehen. Mein Entschluss stand fest: „Colli“ sollte meinen Michel-Motor wieder zu neuem Glanz und Leben verhelfen. Motor und Getriebe wurde mit Hilfe eines Nachbarn ausgebaut und zur Fa. Collmann geschafft. Ich konnte mich nun um den Rest kümmern. Die Lackteile waren nach einer umfangreichen Aufarbeitung in einem so guten Zustand, dass ich mich entschloss sie nicht neu zu lackieren. Die Kunststoffteile wie Verkleidung und Sitzbank verstärkte ich zum Teil mit GfK. Die Instandsetzung der Elektrik gestaltete sich etwas aufwendiger als angenommen, da bei der Michel-BMW kein Lampengehäuse für die Elektrik zur Verfügung steht. Eine Verteilerbox aus der Elektroinstallation lieferte ein brauchbares Gehäuse. Zum Glück hatte ich vor der Demontage alles in Einzelheiten fotografiert, sodass ich mir nicht alles merken musste.

  

Dann kurz vor Ostern die Hiobsbotschaft von Colli (Heinz-H. Collmann), die Kurbelwelle hat Haarrisse, „die baue ich dir nicht wieder ein“. Eine neue Kurbelwelle war zwar zu bekommen lag aber preislich bei 1100€, was ich nicht aufbringen wollte. Im Bekanntenkreis machte ich drei Kurbelwellen ausfindig, die ich zum Motorenspezialisten brachte, leider erfüllten alle nicht seine Ansprüche. Letzte Chance in Dortmund bot jemand eine Welle an, die er mir kostenlos zur Probe schicke, ja so etwas gib es tatsächlich noch. Die Kurbelwelle war perfekt und für 140€ auch noch sehr günstig.                                                      

Ein Zylinder überzeugte Colli auch nicht wirklich und er beschaffte kurzerhand einen nicht mit Nikasil beschichteten, da dieser aufgebohrt werden musste. Das Getriebe war zwischenzeitlich überholt und auch der Motor gelangte wieder zur Vollständigkeit. Ich konnte mich immer wieder von der hervorragenden Arbeit überzeugen und ich war schon ganz gespannt, wie das Teil denn mal laufen würde. Schließlich war es so weit, der Motor war fertig und Colli setzte mir den kompletten Antrieb in meinen Rahmen, hydraulisch auf den Millimeter genau. Zu Hause ging dann auch die Endmontage zügig voran, es war jetzt schon Hochsommer und ich wollte auf die Straße. Mit Colli hatte ich vereinbart, den Start der Michel-BMW in seinen heiligen Hallen gemeinsam durch-zuführen. Der große Moment war endlich gekommen, die Michel-BMW gab ihre ersten ungedämpften Laute über die Hoske-Tüten von sich, leider nur auf einem Zylinder. Der Meister war mit meiner Arbeit der Vergaserreinigung nicht zufrieden und dabei hatte ich mir doch extra das Ultraschallgerät gekauft.  Lange Rede kurzer Sinn, die Vergaser wanderten in das Profi-Ultraschallgerät und das Ergebnis war überzeugend. Der Austausch und die Abstimmung einiger Düsen brachten dann den gewünschten Erfolg.  Hurra, der Motor lief!

 

Colli ließ es sich dann auch nicht nehmen die Maschine nach einer Gesamtdurchsicht und Überprüfung aller Bauteile, wobei er sich den Hinterradantrieb auch noch vornahm, dem TÜV vorzustellen natürlich mit Erfolg.

 

Die erste Testfahrt brachte Erinnerungen an alte Zeiten, was für ein tolles Motorrad diese BMW war. Es machte wieder Spaß  Kurven zu fahren  und die begeisterten Blicke und Fragen anderer Biker machten mich stolz.

 

Eine kleine Anekdote zum Schluss:  Die Michel-BMW hatte mir gezeigt, dass Motorradfahren nicht nur aus dem Geradeausfahren besteht, sondern Kurven besonderen Reiz haben. Das hatte ich leider in den letzten Jahren auf meiner Fat Boy vergessen. Daher durfte die Harley ihren Platz in der Garage gegen eine neue BMW R1200RS tauschen. Die BMW`s verstehen sich übrigens bestens.

 

Norbert Behrens